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Mi, 11.12.2024 18:00
pts20241211031 Technologie/Digitalisierung, Unternehmen/Wirtschaft
DFC24 - Regelt sich Europa zu Tode?
Chancen und Risiken der EU-Verordnungen, insbesondere in Bezug auf Digitalisierung
Graz/Friesach (pts031/11.12.2024/18:00) - Dieses Jahr hatte sich die IT Community Styria (ITCS) bei ihrem Digital Future Congress (DFC) ein starkes Thema vorgenommen: Die Chancen und Risiken der EU-Verordnungen, insbesondere im Bezug auf Digitalisierung. Wenige Tage nach der steirischen Landtagswahl wurde es spannend in Friesach bei Graz. Wurde im letzten Jahr noch optimistisch über die Zukunft in 20 Jahren philosophiert, gab sich die ITCS heuer diskussionsfreudiger: Das Thema polarisierte, die Chancen wurden ebenso beleuchtet wie die Risiken des strikten EU-Richtlinien-Kurses. Elisabeth Konrad von SSI Schäfer begrüßte als Gastgeberin, Moderatorin und Mit-Veranstalterin über 100 Gäste und zeigte sich erfreut über das große Interesse am Thema. Auch Manfred Muckenhumer, Mitglied der Geschäftsführung bei SSI Schäfer, hieß die Teilnehmer im hochmodernen Seminarzentrum herzlich willkommen. In seiner Ansprache betonte er den Erfolg des SSI Schäfer Lösungsportfolios, welches sich durch frühe Integration der Softwarekompetenz in der Lösungsentwicklung auszeichnet. Besonders stolz zeigte er sich auf die SSI Schäfer IT Solutions in Friesach, die als Kernstück des Portfolios individuell angepasste Software für Kunden weltweit entwickelt. Im Anschluss übergab er das Wort an Florian Schneebauer, Vice President der Produktlinie Software. Schneebauer begann direkt mit dem Kernthema und hob hervor, wie stark die Intralogistik von Regulatorien beeinflusst wird. Er sieht in diesen Vorgaben nicht nur Herausforderungen – wie etwa beim Cyber Resilience Act, dessen Umsetzung in der Intralogistik komplex ist – sondern auch große Chancen für Produktinnovationen. Sein strategischer Ansatz fokussiert sich darauf, den Mehrwert für Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei hinterfragt er gezielt, welches Ziel eine Richtlinie verfolgt, um passende Maßnahmen ableiten und eine optimale Wirkung erzielen zu können. Abschließend unterstrich Schneebauer die Bedeutung von Austausch und Zusammenarbeit. Er freue sich besonders auf die Gespräche und Vernetzung während der Veranstaltung, die auch ein Grund für die aktive Mitgliedschaft von SSI Schäfer bei der IT Community Styria sei – einer Plattform, die den Wissensaustausch und die gegenseitige Inspiration fördert. Thomas Dietinger, einer der Geschäftsführer der IT Community Styria (ITCS) und CIO der TU Graz, zeigte sich erfreut über die große Zahl an Besucherinnen und Besuchern und bedankte sich bei SSI Schäfer für die Bereitstellung der Location. Er betonte, dass der DFC - wie alle Aktivitäten der ITCS – vollständig durch das ehrenamtliche Engagement der Mitgliedsunternehmen getragen wird. Dietinger hob die Bedeutung des Erfahrungsaustauschs hervor, von dem alle Beteiligten profitieren und erfolgreicher werden können. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an eine alarmierende Entwicklung: In den letzten vier Jahren ist Österreich laut einer Studie zur Wettbewerbsfähigkeit in Europa von Platz 16 auf 26 zurückgefallen – ein Trend der durch verstärkte Zusammenarbeit und Innovation umgekehrt werden müsse. Die AVL ist vielen Steirerinnen und Steirern ein Begriff – jedoch nicht jeder weiß, dass der Name für "Anstalt für Verbrennungsmotoren List" steht. Jens Poggenburg, Executive Vice President, zeigte sich erfreut über die Einladung zur Keynote der Veranstaltung, die er als Anerkennung für die digitale Transformation des Unternehmens sieht. Poggenburg betonte, dass europäische Werte und Gesetzgebungen für AVL stehts Anlass waren, innovative Lösungen zu entwickeln und sich technisch weiterzuentwickeln. Jede Verschärfung der Abgasgesetzgebung habe zu neuen Produkten geführt – immer mit der Leitfrage: "Was machen wir daraus?". Ein Beispiel hierfür sei die Herausforderung gewesen, Messungen nicht nur auf Prüfstand, sondern auch im praktischen Einsatz auf der Straße durchzuführen. Fragen wie "Wo platzieren wir die Sensoren?", "Wie übertragen wir die Daten?" und "Wie digitalisieren wir den Produktionsprozess?" seien entscheidend für die Entwicklung neuer Lösungen gewesen. Diese Herausforderungen zeigten, wie stark AVL auf Innovation und digitale Weiterentwicklung setzt. Auch E-Autos produzieren Schadstoffe, z. B. beim Bremsabrieb, daher werden die benötigten Messungen immer mehr. So wird etwa für den European Green Deal eng mit Microsoft zusammengearbeitet, um Kunden gut zu beraten und den Digital Battery Passport über den gesamten Lebenszyklus darstellbar zu machen. Über den AI Act können Entwicklungszeiten drastisch reduziert werden, indem Datenanalysen in allen Bereichen realisiert werden. Und auch bezüglich Cyber Security werden von den Fahrzeugen alle relevanten, sogar weltweiten Regulatorien berücksichtigt, um kein Leben zu gefährden, wenn z. B. ein Fahrzeug durch einen Hackerangriff unter die Kontrolle eines anderen fällt. Abschließend fasst er seine Prognosen in drei Punkte zusammen: 1. Die Regulatorien werden weiter zunehmen, 2. die Anforderungen, die sich dadurch ergeben, können nur durch Digitalisierung, besser KI, gelöst werden, und 3. Wichtig ist, was die Unternehmen daraus machen, um erfolgreich zu bleiben. In der anschließenden Fragerunde wurde es dann praktisch: Der Einfluss auf die Emissionen kann - durch Fahrstil und auch eine bessere Verkehrsführung – bis zu 20 % betragen – eigentlich erschreckend, wenn man bedenkt, welcher Aufwand in der Entwicklung oft wegen 0,5 % Verbesserung getrieben wird, in der Stadt allerdings eher versucht wird, den Verkehr zu verlangsamen und damit die Emissionen zu vermehren. Christoph Robinson, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Steiermark, sieht bei seinen Mitgliedsunternehmen vor allem die Herausforderungen durch die Regulatorien im Fokus. Er lobt jedoch die Herangehensweise der AVL als ein Vorbild für chancenorientiertes Denken. In seinem Rückblick auf die Entstehung der EU erinnert Robinson daran, dass die EWG als Wirtschaftsgemeinschaft gegründet wurde, um Freiheit zu fördern – durch den Abbau von Grenzen, Reisefreiheit, Schengen-Raum und Zollfreiheit. Heute fehlten jedoch oft strategischen Ziele, was dazu führe, dass Europa global an Bedeutung verliert. Besonders besorgniserregend sei die Entwicklung in Österreich: Die Wirtschaftsleistung zählt zu den schwächsten innerhalb der EU, während steigende Energiepreise viele energieintensive Produktionsbetriebe zur Abwanderungen zwingen. Unter den Top-20-Unternehmen weltweit finden sich nur noch zwei aus Europa – und diese konzentrieren sich auf Pharma, Gesundheit und Kosmetik. Robinson zeigt die Wichtigkeit auf, die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken und langfristige Strategien zu entwickeln. Seit 1970 wächst die Zahl der Wörter in EU-Rechtsakten exponentiell. Diese zunehmende Regulierungsdichte führt dazu, dass das richtige Maß verloren geht und Unternehmen immer stärker in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit eingeschränkt werden. Um dem entgegenzuwirken, hat die Industriellenvereinigung fünf zentrale Forderungen an die Politik formuliert: die Vollendung des Binnenmarkts, eine konsequente Entbürokratisierung, die Förderung von Innovationen, die Stärkung des Schengenraums und eine klare Abkehr von nationalen Alleingängen zugunsten europäischer Einigkeit. Auch in der anschließenden Fragerunde stand das Thema Regulatorien im Fokus. Kritisiert wurde unter anderem, dass gute und praktikable Regelungen nicht zwangsläufig aus einer hohen Wortzahl entstehen müssen. Zudem wurde diskutiert, welche Vorgaben überarbeitet oder gestrichen werden sollten – wie beispielsweise das Lieferkettengesetz, das unrealistische Anforderungen stellt. Ein Beispiel hierfür ist die Forderung, den nachhaltigen Ursprung selbst kleinster Details wie der Wandfarbe eines Büros nachzuweisen. Solche Regelungen würden laut Kritik die Verantwortung der Politik in unzumutbarem Maße auf die Unternehmen abwälzen. In der Pause wurde bei Kaffee und regionalem Kuchen bereits die ersten Erkenntnisse ausgetauscht und Erfahrungen diskutiert. Gestärkt ging es weiter zum Thema Eisenbahnregulierungen. Werner Hecking, Geschäftsführer der Steiermarkbahn, eröffnete seinen Vortrag mit dem Hinweis: "Ich bin kein klassischer Eisenbahner." Dennoch kennt er die Herausforderungen durch Regulierungen nur zu gut. Er betonte, dass viele Regeln durchaus sinnvoll sind, aber erst ein überbordendes und teils nicht nachvollziehbares Regelwerk aus einer notwendigen Bürokratie eine belastende Bürokratisierung macht. Ein anschauliches Beispiel aus dem Alltag vieler Unternehmen sei das Beantragen von Dienstreisen, das oft mühsam und unnötig kompliziert gestaltet sei. Im europäischen Schienennetz treten die Probleme jedoch noch deutlicher zutage: Unterschiedliche Spurweiten, verschiedene Stromsysteme, 27 Signalsysteme und die Nutzung der jeweiligen Landessprache als Betriebssprache erschweren die Abläufe erheblich. Hecking verwies auch auf einen Fortschritt aus den 1990er-Jahren, als sich die europäischen Bahnbetriebe zumindest auf ein einheitliches Signalsystem verständigten. Allerdings läuft dessen Einführung bis heute – ein Beispiel dafür, wie langsam Veränderungen trotz guter Absichten umgesetzt werden. Ein Blick auf die gesetzlichen Grundlagen zeigte, dass selbst in Österreich das Eisenbahngesetz von 1957 stammt – mit Teilen, die noch auf das 19. Jahrhundert zurückgehen. Besonders anschaulich wurde es bei der Schilderung der Hürden, die bei der Gründung eines neuen Eisenbahnunternehmens überwunden werden müssen. Nach den üblichen Anforderungen einer Unternehmensgründung folgen zusätzliche Vorgaben aus regionalen Gesetzen sowie strikte Voraussetzungen für Personal, das teilweise bis zu 10 Jahre einschlägige Erfahrung nachweisen muss. Auch einige weniger bekannte Details sorgten für Staunen: So regelt das Eisenbahngesetz beispielsweise das Überqueren von Schienen – was vielen Autofahrern nicht bewusst war. Zudem müssen Aufsichtspersonen im Eisenbahnwesen unter Eid genommen werden, ein Vorgang, der mit einem 12-seitigen Bescheid verbunden ist. Lokführer sind verpflichtet, die regionale Sprache zu sprechen, und Züge müssen an jeder Grenze einer technischen Überprüfung unterzogen werden. Diese Beispiele zeigten eindrücklich, wie umfassend und bisweilen komplex die Regulierungen im Eisenbahnwesen gestaltet sind. Das Publikum war daraufhin natürlich daran interessiert, wie sich ein solches Unternehmen wirtschaftlich rentieren kann – dies ist mit Segmentierung, hoher Auslastung und sehr viel Effizienz durchaus möglich. Schwierig wird es allerdings in Zukunft durch die Einführung des European Train Control System (ETCS) – hier kostet das Aufrüsten einer Lokomotive derzeit eine halbe Million, im Endausbau 2034 vermutlich 900.000€ ohne Abwärtskompatibilität. Dies auf allen Loks zu installieren, wird noch eine große Herausforderung. Innovation ist ein zentraler Treiber für wirtschaftlichen Erfolg. Das Patentgesetz, das seit Jahrhunderten besteht, schützt Erfindungen für 20 Jahre vor Nachahmung, während es durch das Veröffentlichungsgebot gleichzeitig Weiterentwicklungen ermöglicht. Dennoch gibt es auch in diesem Bereich immer wieder Neuerungen. Eine der jüngsten ist das EU-Einheitspatent, dessen Details David Lerchbaum von der Anwaltskanzlei Wirnsberger & Lerchbaum anschaulich erläuterte. Seit 1977 war es zwar bereits möglich, ein Patent in 39 europäischen Ländern gleichzeitig anzumelden, zur Erteilung wurde es jedoch wieder in die einzelnen Länder aufgespaltet, was zu hohen Kosten, zum Beispiel für Übersetzungen und Jahresgebühren führte. Seit 1.6.2023 gibt es durch den Vertrag von Lissabon eine Einigung von immerhin 18 europäischen Ländern für ein Einheitspatent, was sowohl die Kosten als auch die Durchlaufzeiten sehr reduziert hat. Damit wurde das europäische Patentsystem wettbewerbsfähiger, kostengünstiger, schneller und durchsetzungsfähiger. In der Fragerunde wurde die Kompetenz der Entscheider thematisiert. Patentämter setzen auf ein breites Spektrum von Technikern und Naturwissenschaftlern, um Innovationen fundiert bewerten zu können. Auch die Problematik sogenannter Trivialpatente wurde diskutiert. Diese Einreichungen wirken für Fachleute manchmal offensichtlich, doch oft zeigt sich, dass selbst vermeintlich simple Ideen nicht so leicht zu entwickeln sind, wie es im Nachhinein erscheint. Zum Abschluss stand die Vorstellung der Themeninseln auf dem Programm: Hierzu kamen die Verantwortlichen der Thementische auf die Bühne, um ihre Themen vorzustellen. Die Themen reichten dabei von Practical AI – also die Auswahl von sinnvollen Use Cases für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz – über Open-Source-Software, das wichtige Thema Cybersecurity unter Berücksichtigung von NIS-2, die Frage wie man die Information im Unternehmen optimiert (durch ein Intranet), wofür man eigentlich Augmented Reality brauchen kann, die Qualitätssicherung von digitalen Prozessen und die Frage, ob und wie man denn KI vertrauen kann – das Schlagwort "trustworthy AI" spielt hier eine Rolle. Auch die Steirische Fördergesellschaft (SFG), als Sponsor der Veranstaltung, war vertreten und gab auf ihrem Thementisch den anwesenden Unternehmen Hilfestellung bei der Auswahl von Förderprogrammen, Aussuchen von Themen und dem Verfassen von Anträgen. Bei köstlichem steirischen Fingerfood wie Schnitzelsemmeln und Strudel wurde nicht nur genussvoll geschlemmt, sondern auch intensiv an den Themeninseln genetzwerkt und diskutiert. Die IT Community Styria zeigte sich besonders erfreut über mehrere Mitgliedschaftsanfragen, die für das kommende Jahr noch mehr spannende Themen und Unternehmen versprechen. Mit dieser Energie geht die ITCS motiviert in die Vorbereitung des DFC2025.
DFC24 – Digital Future Congress
(Ende)
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